Zum Thema Insektenschwund
Das Thema ist zurzeit allgegenwärtig, deshalb verschonen wir Sie hier mit Zahlen und begründender Argumentation. Wir wollen stattdessen etwas tun gegen den Verlust unserer Honigbienen, vor allem aber gegen das stille Verschwinden heimischer Käfer, Schmetterlinge und Wildbienen. Dabei haben wir nicht nur deren Anzahl in Blick, sondern auch die Artenvielfalt. Was manchem recht ist, weil Insekten manchmal auch lästig sein können, ist leider ein großes Problem in der Natur: Insekten sind Nahrung für Vögel und kleine Säugetiere, deshalb ist auch deren Bestand massiv eingebrochen und zunehmend bedroht.
Lebensräume schaffen!
Jede Blüte zählt im bewohnten Umfeld von Dörfern und Städten.
In diesem Bereich hat auch für uns vom NABU der Mensch Vorrang: Rasen braucht man für Sportplätze, im Hausgarten als Spielfläche für die Kinder und für den Grillabend mit Freunden und Nachbarn. Als gestalterisches Element gibt er gepflegten Blumenbeeten einen wirkungsvollen Rahmen. Das könnten und wollen wir gar nicht ändern. Kurz gemähtes Gras ist zwar unergiebig als Lebensraum für Wildbienen und Schmetterlinge, aber auch Menschen mit ihren Bedürfnissen sind Teil der Natur!
Doch sehen Sie mal genauer hin… Gibt es nicht auch auf Ihrem Firmengelände oder in Ihrem privaten Garten eine kleine Ecke, die Sie selten betreten und in der Sie ein bisschen Wildnis zulassen könnten? Das wär‘ ein schöner Anfang, der vor allem die Alleskönnern unter den Insekten fördert, die unkomplizierten, wenig spezialisierten Arten. Machen Sie ihnen ein Angebot!
Wir meinen, Rindenmulch gehört in den Wald! Wir wissen, Schmetterlingsraupen brauchen Brennnesselblätter und wir haben festgestellt, der „Rintelner Blütenzauber“ eignet sich gut als Untersaat für Sträucher und Staudenbeete, nicht für alle, aber für viele… Die bunte Pracht entwickelt sich schnell, ist ausgesprochen pflegeleicht und bietet reichlich Nahrung für Bienen und Schmetterlinge. Kulturpflanzen, die darin enthalten sind, haben einfache, ungefüllte Blüten und sind deshalb reich an Pollen und Nektar. Stark gefüllte Blüten sind leider oft wertlos für Insekten.
Lassen Sie sich anregen von naturnah gepflegten Gärten in
der näheren Umgebung – unsere Projektpartner zeigen sie Ihnen gerne! Man
braucht weder teures Pflanzenmaterial noch Spezialkenntnisse, stattdessen ein
bisschen Mut zum Experimentieren und eine mehr oder weniger große Portion
Lässigkeit. Der Lohn ist kostenloses und spannendes Live-Kino, wenn die Hummeln
das Blütenbuffet entdeckt haben. Wussten Sie übrigens, dass es bei uns
verschiedene Hummelarten gibt, die man gut mit bloßem Auge unterscheiden kann?
Die Kinder aus unserem Partnerprojekt am Ernestinum zeigen sie Ihnen gern!
Artenvielfalt erhalten!
In der freien Landschaft brauchen wir wilde und heimische Blüten.
Außerhalb bewohnter Gebiete haben wir vorrangig den Naturschutz im Blick und damit die Artenvielfalt – Biodiversität lautet der Fachbegriff. Viele der oft unscheinbaren Wildbienen und Schmetterlingsraupen sind Nahrungsspezialisten. Verschwindet eine Pflanzenart, verschwinden mit ihr auch alle auf sie angewiesenen Insektenarten. Hier kommt es auf Nachhaltigkeit an: Nur wenn genau diese Nahrungspflanze auch im nächsten Jahr wieder blüht, und zwar im selben Gebiet, kann die Art überleben. Man braucht keine Fachkenntnisse, um diesen Zusammenhang zu verstehen.
Zum Glück haben wir rund um Rinteln noch eine reich strukturierte, ökologisch weitgehend intakte Landschaft mit vielen Hecken und bunten Straßenrändern. Haben Sie darauf schon einmal geachtet?
Das muss unbedingt so bleiben! Dort, wo wir sie nicht mehr finden, möchten wir sie zurückgewinnen. Oft schlummern nämlich im Boden noch Samen von längst verschwunden geglaubten Wildkräutern. Sie keimen aus und entwickeln sich, sobald sie nicht mehr unterdrückt werden durch Überdüngung und einen unbedachten Mährhythmus. Das ändert sich gerade – und zwar im ganzen Landkreis!
Dort, wo sie dauerhaft verschwunden sind, kann man mit sogenanntem Regio-Saatgut Wildkräuter erfolgreich wieder ansiedeln. Diese Pflanzen haben ihren genetischen Ursprung in unserer Gegend und nützen deshalb genau den Insektenarten, die hier vorkommen. Regio-Saatgut wird von wenigen Spezialisten vermehrt und ist kostbar und teuer. Wir sind in Kontakt mit einigen Lieferanten. Nach ausführlicher Beratung stellen wir unseren Projektpartnern, im Rahmen unserer Möglichkeiten, auch solches Saatgut zur Verfügung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Aus naturschutzfachlichen Gründen dürfen ab 2020 in der freien Landschaft Wildkräuter nur noch als zertifiziertes Regio-Saatgut ausgebracht werden. So gibt es die Gesetzgebung vor.
Konflikte mit der Landwirtschaft sind in der Feldflur absehbar, aber nicht zwangsläufig nötig. Wir gehen davon aus, dass kein Landwirt vorhat, mutwillig Natur zu zerstören. Er führt vielmehr einen Erwerbsbetrieb und möchte damit seine Familie ernähren. Dünger fördert das Pflanzenwachstum – auf dem Acker, wenn er dort landet aber auch auf dem Wegrain. Hier fördert er dann das Wachstum von Gras, und zwar so stark dass es die Blütenpflanzen oft vollständig unterdrückt – großräumig zu beobachten und schlimm für die Wildbienen! Durch Einsatz moderner Technik, vor allem aber durch Achtsamkeit lässt sich hier ohne großen Aufwand Abhilfe schaffen. Dünger gehört nicht auf die Feldränder – denn die gehören in der Regel den Gemeinden, also uns allen.
Schwieriger ist das beim Pflanzenschutz: Neonicotinoide schützen wirkungsvoll Kulturpflanzen vor Schadinsekten, sie vergiften aber gleichzeitig in großem Ausmaß auch alle anderen Insekten. Diese Pestizide sind aus Sicht des NABU in hohem Maße verantwortlich für den Rückgang der Anzahl wie auch der Artenvielfalt bei Insekten, Vögeln und Kleinsäugern. Ganz zu schweigen von der Rückstandsproblematik, über die wir noch nicht viel wissen, die aber nicht ohne Grund Schlimmes vermuten lässt… Trotzdem werden diese ‚Neonics‘ leider so schnell nicht aus der Welt zu schaffen sein. Dies ist ein inakzeptabler Zustand für Mensch und Natur. Solange die Rechtslage die Verwendung dieser Gifte zulässt, hilft es aus unserer Sicht jedoch nicht, einzelne Landwirte anzuklagen oder auf sie zu schimpfen. Viel lieber möchten wir mit denen ins Gespräch kommen, die diese Zusammenhänge bereits selbst sehen. Gemeinsam mit ihnen werden wir uns auf die Suche machen nach der Balance zwischen persönlichen und wirtschaftlichen Interessen einerseits und denen des Gemeinwohls und des Naturschutzes auf der anderen Seite.
Dass dies mit einigen Landwirten bereits gelingt, genauso wie mit vielen anderen Menschen in unseren Partnerprojekten, freut und ermutigt mich persönlich ganz außerordentlich.
Liebe LeserInnen,
nun hat es eine Menge Worte gebraucht, um das Konzept dieses Projekts darzustellen.
Respekt, dass Sie bis hierher durchgehalten haben!
Ich freue mich auf Ihre Fragen und Anregungen, stelle mich gegebenenfalls aber auch Ihren Einwänden. Kontaktdaten finden Sie unten.
Maria Rollinger
für den NABU Rinteln, im Juni 2019