Blühstreifen in Exten am Friedhof – Pilotprojekt
Ein Traum in Mohn und Kornblumen! Diese Fotos sind Momentaufnahmen, aus der Sicht von Anwohnern und Passanten vielleicht die schönsten im Verlauf unseres Pilotprojekts. Wie jedes natürliche Ökosystem unterliegt auch ein eingesäter Ackerrandstreifen einer Sukzession, d.h. einer absehbaren Veränderung im Laufe der Zeit. Von Anfang an war das Projekt befristet auf 5 Jahre, den längsten möglichen Förderzeitraum für landwirtschaftliche Ackerflächen. Danach muss die Fläche wieder unter den Pflug, sonst wird sie lt. Definition zu „Grünland“ und darf nicht mehr umgebrochen werden – eine Nutzungseinschränkung, die den Wert mindert. Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich bei der Landwirtin Frau Requard-Kastning für die mutige Entscheidung, dies Pilotprojekt möglich zu machen.
Der angrenzende Wiesenrand bleibt im Projekt und wird als Heuwiese genutzt. Der Landwirt Björn Giese wird das gesamte Grünland weiterhin moderat düngen, vollständig auf Pflanzenschutz verzichten und zusammen mit uns die Sukzession weiter beobachten. Herzlichen Dank, Herr Giese! – Auch für die verlässliche Unterstützung bei der Pflege des Ackerrandstreifens übrigens. Alles zusammen ein tatkräftiger und nachhaltiger Beitrag zum Erhalt der Biodiversität.
Historie:
Erste Projektskizze im November 2017
Die Bankette, die der Gemeinde gehört, wird gelegentlich von Friedhofsbesuchern als Parkstreifen genutzt. Besonders bei Beerdigungen reichen die befestigten Parkplätze in der Nähe des Friedhofs bei weitem nicht aus. Die angrenzenden Ackerflächen werden bewirtschaftet von den Extener Landwirten Björn Giese, (Grünland) und Margarete Requardt-Kastning (Ackerland).
Zielvorstellung:
- Geschotterte Bankette als Grundlage für eine dauerhaft naturnahe, blütenreiche und insektenfreundliche Pflanzengesellschaft, wobei ausdrücklich zu akzeptieren ist, dass diese gelegentlich von Anwohnern und Friedhofsbesuchern als Parkstreifen genutzt wird.
- Angrenzend ein mehrjähriger, blütenreicher Ackerrandstreifen
Einsaat einer standortgerechten Pflanzengesellschaft aus regionalem Saatgut. Sicherzustellen ist, dass die Landwirte ihre Ackerflächen erreichen können.
Vorgespräche im Winter 2017/18
In unverbindlichen Vorgesprächen zeigten sich beide Landwirte aufgeschlossen und grundsätzlich kooperativ, Bernd Kirchhof als Ortsvorsteher in Exten befürwortet das Projekt ausdrücklich.
Ortsratsbeschluss am 06.03.2018
Vorstellung des Projektes Blührandstreifen am Friedhof in Exten als Beitrag zum Aktionsplan bienenfreundliches Rinteln durch Frau Rollinger. Der Ortsrat Exten beschließt einstimmig, das Projekt zu unterstützen.
Förderanträge im März/April 2018
Das Projekt wird konkret, nachdem Herr Bebermeier (Landberatung Stadthagen) die Landwirte beraten hat – und die Förderanträge vorbereitet für die Anerkennung als Greening-Maßnahme für den Zeitraum von fünf Jahren.
Bodenvorbereitung in April 2018
Grubbern des Maisackers, 6 m Vorgewände an der Meierstraße werden bei der Einsaat ausgespart.
Das Grünland wird kurz gemäht und anschließend grob aufgebrochen für die „umbruchlose Ansaat“.
Einsaat am 18. April 2018
Ca. 50 Schulkinder der GS Exten und des Gymnasiums Ernestinum bringen das Saatgut aus, unterstützt vom Baubetriebshof Rinteln und Nachbarn, die während der Aktion die Straße absichern. Das Saatgut stellt der NABU Rinteln zur Verfügung: Rieger-Hofmann Nr. 23 „Blühende Landschaft“ für den Acker, Nr. 02 „Frischwiese / Fettwiese“ 100 % Blumen für das Grünland, jeweils als Regio-Saatgut für den Produktionsraum 4.
Ausmagern der überdüngten Bankette am 27. April 2018
Während die Saat keimt, tragen Mitarbeiter des Baubetriebshofs die überdüngte Bankette ab.
Blütenpracht schon im 1. Standjahr Anfang Juni 2018
Hier blüht euch was! Stolz präsentieren die Kinder vom Ernestinum den 1. Erfolg ihres Einsatzes. Nur vereinzelt und ganz zaghaft sind die im April ausgesäten Pflanzenarten sichtbar. Echte Kamille prägt das Bild, sie war bereits als Ackerunkraut im Boden. Den Hummeln ist’s recht… viel besser als der Mais, der sich gerade im Hintergrund entwickelt.
Dürresommer imJuli 2018
Melde macht sich breit … Sie verträgt die Trockenheit offenbar besser als alle anderen Mitbewohner.
Schröpfschnitt im August 2018
Um zu verhindern, dass die Melde sich massiv aussät, wird der Bewuchs vollständig abgetragen. Schwere Entscheidung, denn durch den Einsatz des Laubsaugers, der über einen vorgeschalteten Schredder verfügt, werden zwangsläufig auch zahlreiche Insekten ‚abgeräumt‘, die sich gerade in der Vegetation aufhalten. Ein Experiment…
Überraschende Entwicklung im Herbst 2018
Der ursprüngliche Plan, den Ackerrandstreifen anschließend zu pflügen und im Herbst neu einzusäen wird fallen gelassen, als nach den ersten Regenfällen eine Vielfalt an unterschiedlichen Sämlingen erscheint.
Das eingesäte Grünland hat nach der langen Dürre augenscheinlich der Spitzwegerich in Besitz genommen, nur ein paar Doldenblüter sind ebenfalls aufgelaufen, so scheint es …
Hier blüht euch was! 2. Standjahr Ende Mai 2019
Rotklee, Margeriten, Kuckuckslichtnelke und Wiesenbocksbart blühen im Grünland, noch nicht viele, aber immerhin einige …
Phacelia, Klatschmohn, Weiße Lichtnelke, Inkarnatklee und andere Leguminosen bestimmen das Bild im Ackerrandstreifen, Gänsefingerkraut und Reiherschnabel sind ganz von selbst auf der Bankette eingezogen.
Geduld zahlt sich aus! Natur braucht offenbar Zeit.
Für die nächsten Wochen wird der Bienenfreund Phacelia das Bild bestimmen. (27. Mai 2019)
…rechtzeitig zum Felgenfest gefolgt von Mohn und Kornblumen. Angesichts der bunten Pracht steigen Passanten auch schon mal vom Rad ab.
Anfang Juli ist der Farbenrausch vorbei, abgelöst vom Steinklee und der Rauhaarigen Wicke, die in großen Teilen des Ackerrandstreifens einen dichten Filz gebildet hat. Als Ackerwildkraut ist sie gut bekannt in der Gegend.
Ein ganzer Trupp Stieglitze freut sich über die Disteln. Es gibt nämlich mehr davon und sie dürfen bis zum Frühjahr bleiben, diese Art verbreitet sich nicht invasiv wie die Ackerkratzdisteln weiter hinten.
Nebenan wartet das Grünland noch auf den Spätsommer- Schnitt. Jetzt im August hat aber erst mal die Wilde Möhre ihren Auftritt.
Auch die Bankette wird gerade neu besiedelt, nachdem der Baubetriebshof hier Ende Juni frischen Schotter aufgebracht hatte. Gänsefingerkraut, Breitwegerich und Vogelknöterich lassen sich kaum stören durch die Reifen parkender Friedhofsbesucher.
Rein optisch wird sich hier nicht mehr viel verändern in dieser Saison: Der Ackerstreifen bleibt ungeschoren bis zum Frühjahr, denn unter dem braunen Gestrüpp krabbelt und zappelt es überall. Angesichts der erneuten Dürre ist der Boden erstaunlich feucht geblieben, unter den Pflanzenresten finden sich komfortable Rückzugs- und Überwinterungsquartiere für unzählige Kleintiere.
3. Standjahr 2020:
Gräser besiedeln zunehmend die Fläche des Ackerrandstreifens, dazwischen haben sich die Blattrosetten der Phacelia ans Licht gekämpft.
Im Vergleicht zum Vorjahr ist die einjährige Blütenpracht im Juni schon weniger üppig,
… und im Herbst sorgen die Fruchtstände von Wilder Möhre und Pastinak für erste skeptische Blicke bei Anwohnern und Passanten. „Wildnis!“
Im Oktober 2020 wird der üppige Aufwuchs gemäht und abgetragen.
4. Standjahr 2021:
Auf der Wiese sind Margeriten sesshaft geworden, die Kuckuckslichtnelken haben sich vermehrt,
der Kleine Klee zeigt mageren Boden an
… und die Große Brennnessel eine Stickstoff-Anreicherung im Übergangsbereich zum Acker.
Dort breiten sich im Sommer 2021 die Gräser raumgreifend aus.
Nicht überall schaffen es die mehrjährigen Wildstauden so gut wie hier, dagegen zu halten.
Stellenweise machen sich Disteln breit. Was bei Passanten im Herbst für Stirnrunzeln sorgt, beschert uns den Winter über den Besuch von wahren Stieglitz-Scharen, manchmal sind es mehr als 20 dieser „Distelfinken“ gleichzeitig.
5. Standjahr 2022
Bevor die braune Wildnis im Frühjahr gemäht und abgetragen wird, sollen einige Stängel noch genauer untersucht werden.
Sind das tatsächlich Überwinterungsquartiere für Insekten?
Das Mikroskop offenbart es: Insekten-Eier und eine Larve oder vielleicht eine Puppe? Schwierig zu fotografieren und noch schwieriger zu bestimmen! Fest steht jedoch, dass in keiner einzigen der 15 Proben nicht irgendetwas krabbelte… Ganz sicher ist dies braune Gestrüpp also voller Leben!
Als sich im Frühjahr 2022 die Ackerkratzdisteln weiter ausbreiten, ist die Sorge der Landwirtin um ihre Fläche verständlich.
Doch auch Skabiosen und Flockenblumen haben in dem nährstoffreichen Boden kräftige Horste gebildet und sich gegen die Gräser behauptet. Mit Spaten und ehrenamtlichem Körpereinsatz werden sie „gerettet“
… und zusammen mit Odermennig, verschiedenen Arten von Lichtnelken und Labkräutern „umgesiedelt“ in naturnah gepflegte öffentliche Flächen und Privatgärten.
Im Oktober 2022 kommt wie erwartet der Pflug zum Einsatz. Was bleibt, ist der befestigte Seitenstreifen für parkende Friedhofsbesucher,
ein Stück naturnah bearbeitetes Grünland
– und für alle Beteiligten die praktische Erfahrung mit angesäten Blühstreifen.
Was seitdem fehlt, sind die Scharen von Stieglitzen im Winter…